Wir sind keine Weltverbesserer
Experten-Talk mit Quentin Pratley: „Wir sind keine Weltverbesserer!“
Ich freue mich, dieses Mal mit Quentin Pratley, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter von FLSK, zu sprechen. Ich selbst bin Beirat bei FLSK – und beobachte und begleite den Weg zur Top-Marke aus nächster Nähe. Ein Gespräch über Marke, leere Markenversprechen und das Dilemma umsatzorientierter B2C-Unternehmen in Zeiten von Klimawandel, Ressourcenknappheit und Co.
Quentin, bitte stell dich und deine Firma kurz vor.
Ich bin Quentin Pratley, 30 Jahre alt – und Mitgründer von FLSK, das es mittlerweile seit sieben Jahren gibt. Unser Kernprodukt ist eine Trinkflasche mit enormer Isolationsfähigkeit. Kalte Flüssigkeiten bleiben 24 Stunden lang kalt, heiße bleiben 18 Stunden lang heiß. Wir sind ursprünglich mit einer tollen Produktidee angetreten und haben uns zu einer starken Marke etabliert. Ich bin sehr dankbar für diesen Weg, weil ich durch und mit FLSK viel lernen durfte und auch immer noch jeden Tag viel lerne. Keine Universität hätte mir das beibringen können, was ich hier tagtäglich lerne.
Was treibt dich und deine Firma an?
Dinge zu bewegen, den Status quo zu hinterfragen, Dinge besser zu machen. Das spiegelt sich auch in unseren Produkten wider. Wir wollten den Trinkflaschenmarkt verändern, der bis dato aus billigen Wegwerfprodukten bestand – und wir wollten den etwas eingestaubten Isolierflaschen-Markt erneuern. Was die FLSK-Trinkflasche ausmacht, ist ein schönes, solides Produkt, dessen Qualität unschlagbar ist – und, das die faktischen Isolierleistungen einer klassischen Thermoskanne übertrifft. Dennoch möchten wir uns aber bewusst nicht als Isolierflasche positionieren, sondern als Trinkflasche für jede Alltagssituation.
Wie sieht der Markt dafür aus?
Stell dir vor, du gehst im Sommer an den Strand oder in den Park oder an das städtische Flussufer – und schaust dich um. 80 von 100 Menschen werden eine Plastik-Trinkflasche dabeihaben, sieben Menschen haben eine FLSK – und drei ein langlebiges Wegwerfprodukt. Unser Markt ist eben genau dieser. Theoretisch also jeder, der trinkt.
Unsere Zielgruppe ist natürlich viel spitzer, aber der Markt ist groß.
Eure Zielgruppe ist eher urban, qualitäts-, marken- und nachhaltigkeitsbewusst.
Ja, wobei ich zum Thema Nachhaltigkeit später noch zu sprechen komme. Wir haben uns früh für einen Markenweg entschieden. Eine Marke fängt immer bei den Menschen an, die dahinterstehen. Sie ist die Summe aus den Charakteren, Ideen und Beiträgen der Menschen. Jede Person, die in unser wachsendes Team kommt, prägt die Marke ein Stück mit. Hierzu zählst auch du, Ulvi.
Das klingt nach flachen Hierarchien und viel Demokratie.
Ja, das ist auch das Schöne daran. Gleichzeitig ist so ein Organisations- und Führungsstil auch herausfordernd, weil es immer um Menschen und menschliche Themen geht, um Emotionen, Bedürfnisse, Anforderungen und Erwartungen. Einerseits können Prozesse dadurch sehr langwierig werden.
Andererseits sind die Zeiten aber auch vorbei, in denen nur noch eine Person entscheidet. Bei uns blickt eine Vielzahl verschiedener Menschen aus unterschiedlichsten Blickwinkeln auf unsere Marke und unsere Produkte. Die Menschen übernehmen Verantwortung und sind emotional dabei. Nur so können gute Produkte und starke Marken entstehen.
Als Geschäftsführer behaupte ich ganz direkt: Es würde keiner Geschäftsführerin und keinem Geschäftsführer schaden, die Karriere mit einer Kindergartenpädagogikausbildung zu starten. Die Themen, die in Unternehmen ausgelebt werden, haben oftmals viel mit kindlichen Emotionen zu tun. Wem es gelingt, den Emotionen aller Beteiligter Raum zu geben und gleichzeitig auch Grenzen zu setzen, kann ein starkes Team formen.
Wir müssen den Menschen die Chance geben, sich selbst zu reflektieren, dann ist so viel möglich.
Heute kaufen auch Businesskunden wie Lufthansa und BMW eure FLSK-Flaschen. Ihr habt also einiges richtig gemacht in der Markenentwicklung.
Marke geht bis in die letzte Sehne: Wie beantworte ich eine E-Mail? Wie begegne ich Kunden? Wie gehe ich mit Händlern und Partner um? Wie spreche ich mit Mitarbeitenden?
Das alles zahlt in die Markenwahrnehmung ein. Wir sind da hineingewachsen. Wir sind starke Charaktere und haben schnell gemerkt: Marke ist menschengemacht, mit Ecken und Kanten und eigener Firmen-DNA.
Wir haben den Weg der Markenbildung bewusst eingeschlagen – und wenn du diese Leidenschaft besitzt und die Qualität anbietest, ziehst du auch solche Business-Kunden an. Unsere hochwertige Marke spricht hochwertige Kunden an. Ein Ramschladen würde nicht bei uns anklopfen.
Kunden legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig seid ihr?
Ich tue mich schwer mit dem Wort „Nachhaltigkeit“, weil das ein Buzzword ist und heute jedes Unternehmen meint, „nachhaltig“ auf seine Fahne schreiben zu müssen. Wie nachhaltig viele solcher Unternehmen tatsächlich sind, ist eine ganz andere Frage.
Wir setzen uns seit unserer Gründung sehr genau mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ auseinander – und diskutieren das auch sehr kontrovers. Für uns fühlt es sich wahnsinnig unauthentisch und unecht an, wenn wir sagen würden, wir wären nachhaltig. Das ist nicht der Fall – auch, wenn wir auf einer Nachhaltigkeitsvariablen besser abschneiden als die Mitbewerber.
Aber zu behaupten, wir wären nachhaltig, würde das Wort und seine Bedeutung nur weiter abwerten. Wir verhindern somit, dass wir uns weiterentwickeln auf dem Weg Richtung Nachhaltigkeit. Wir sind keine Weltverbesserer! Und das kritisiere ich an allen Unternehmen, die glauben, z. B. mit ein bisschen „CO2-Ablasshandel“ nachhaltig zu sein und die Welt besser zu machen.
Was seid ihr dann, wenn nicht nachhaltig?
Uns kommt es darauf an, Produkte zu produzieren, die sinnhaft sind, die langlebig sind – und die keine Sollbruchstelle haben.
Wir stellen Produkte her, die halten, was sie versprechen und dazu beitragen, das Konsumverhalten in eine positive Richtung zu verändern.
Wir wollen sinnhafte Produkte herstellen. Aber wir wollen nicht kommunizieren: „Wer uns kauft, ist nachhaltig.“ Wir wollen ehrlich und transparent mit dem Thema umgehen. Unsere Produkte sind langlebig, weil sie nahezu unkaputtbar sind. Kunden sollen uns aber nicht kaufen, um zu denken, sie seien dadurch die großen Weltverbesserer. Denn das stimmt einfach nicht.
Was passiert, wenn Unternehmen nur vermeintlich nachhaltig sind?
Die globalen Probleme auf der Welt werden aufgrund eines Mangels an Nachhaltigkeit weiter steigen. Denn: Vermeintlich nachhaltig zu sein, verhindert echte Nachhaltigkeit. Erst, wenn wir das Thema bei seinen Wurzeln packen und wirklich hinterfragen, können wir Veränderungen anstoßen: Standorte, Lieferketten, Wachstum, Renditen, Umsatz.
Das müssen die Unternehmen hinterfragen – und das ist schmerzhaft. Vor allem für die Anteilseigner, Gesellschafter und Besserverdiener. Bei FLSK muss ich da bei mir anfangen, als Gesellschafter.
Kommen Konsumgüterunternehmen in eine Sinnkrise, wenn sie nicht nachhaltig agieren?
Das ist die Zwickmühle, in der viele B2C-Unternehmen heute stecken: Was ist unsere Daseinsberechtigung am Markt in einer Welt voller Ressourcenknappheit, wenn wir nicht nachhaltig agieren? Wir bei FLSK haben uns entschieden, mit unserer Firma wirtschaftlich erfolgreich zu sein.
Daran ist erst einmal nichts falsch – aber eben auch nichts nachhaltig. Auf der Welt muss weniger konsumiert werden. Und hier beginnt das Dilemma vieler Unternehmen, weil die Menschen in unserem Wirtschaftssystem vom Mehrkonsum leben und teilweise auch davon abhängig sind.
Als Gesellschaft und globale Gemeinschaft stehen wir vor einer großen Herausforderung, der wir früher oder später nicht mehr ausweichen können.
Wie sollten Unternehmen dieser Herausforderung begegnen?
Wichtig ist, sich dem nachhaltigen Wirtschaften kontinuierlich anzunähern. Aber das gelingt nur, wenn Unternehmen ihren wahren Zustand annehmen und ehrlich mit sich sind. Ich sehe so viel Verblendung in Unternehmen, in denen sich die Verantwortlichen einreden, was für gute Weltverbesserer sie seien.
Dabei betreiben sie nur eine neue Form des Profitschlagens und der Gewinnmaximierung um jeden Preis.
Wer das ablegt und ökologische Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie einbindet, stellt sich den Herausforderungen der Zukunft.
Herausforderungen anpacken!
Tun!
(Be-)Wirken!
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